Rad­fah­ren in Ib­ben­bü­ren

Über­hol­ab­stän­de mes­sen und sicht­bar ma­chen, auf die täg­li­chen Über­hol­vor­gän­ge hin­wei­sen und für die Si­cher­heit auf den Stra­ßen Ib­ben­bü­rens sen­si­bi­li­sie­ren.

Wir en­ga­gie­ren uns für ein­fa­che und si­che­re Rad­we­ge. Seit Jah­ren ste­hen wir mit der Stadt und der Po­li­zei in Kon­takt und wei­sen auf ge­fähr­li­che Stel­len im Ver­kehr hin. Aber so lan­ge kei­ne töd­li­chen Un­fäl­le pas­sie­ren, wird sich an der Si­tua­ti­on nichts ver­än­dern. Wir möch­ten nicht, dass erst et­was pas­sie­ren muss, um die Si­cher­heit für Rad­fah­ren­de zu ver­bes­sern.

So reif­te bei uns der Wunsch nach kon­kre­ten und ob­jek­ti­ven Mes­sun­gen. Un­ser Kern­team und ei­ni­ge an­de­re All­tags-Rad­fah­ren­den un­ter­stütz­ten uns bei den Mes­sun­gen mit dem Open Bike Sen­sor (OBS). Ge­mein­sam fuh­ren wir et­li­che Ki­lo­me­ter in Ib­ben­bü­ren, Püs­sel­bü­ren und Lag­gen­beck. So ka­men über 2500 Mes­sun­gen zu­sam­men, die vom OBS ge­spei­chert, aus­ge­wer­tet und in ei­ner Kar­te farb­lich dar­ge­stellt wer­den.

Die Sen­so­ren hat uns der ADFC Os­na­brück kos­ten­los ge­lie­hen. Open Bike Sen­so­ren kann man nicht fer­tig kau­fen: Sie wur­den von Ak­ti­ven des ADFC mit gro­ßem Zeit­auf­wand und tech­ni­schem Know-how selbst ge­fer­tigt und zu­sam­men­ge­baut.

Die Sen­so­ren des OBS mes­sen zen­ti­me­ter­ge­nau, wie viel Platz über­ho­len­de Fahr­zeu­ge von Rad­fah­ren­den hal­ten. In­ner­orts müs­sen es min­des­tens 150 Zen­ti­me­ter und au­ßer­orts zwei Me­ter sein. Wer­den Kin­der über­holt, gilt im­mer ein Min­dest­über­hol­ab­stand von zwei Me­tern.

Der ge­setz­li­che Rah­men

Über­hol­ab­stän­de sind seit der No­vel­le der StVO vom 8. April 2020 ge­setz­lich fest­ge­schrie­ben. Da­mit hat die Ge­setz­ge­bung die lang­jäh­ri­ge For­de­rung des ADFC nach fest­ge­schrie­be­nen Min­dest­über­hol­ab­stän­den auf­ge­grif­fen. Da­durch sol­len Ver­bes­se­run­gen für den Rad­ver­kehr er­reicht und das Rad­fah­ren si­che­rer ge­macht wer­den. Al­ler­dings muss­ten Kfz-Fah­re­rin­nen und ‑Fah­rer schon vor­her aus Si­cher­heits­grün­den und auf­grund des selbst­ver­ständ­li­chen Rück­sicht­nah­me­ge­bots ei­nen deut­li­chen Ab­stand beim Über­ho­len von Rad­fah­ren­den und Men­schen zu Fuß hal­ten.

Rad­fah­ren­de kön­nen durch ei­nen zu ge­rin­gen Über­hol­ab­stand er­schreckt und zu ei­ner Fehl­re­ak­ti­on ver­an­lasst wer­den. Au­ßer­dem ist vor al­lem bei schnel­lem zu na­hem Über­ho­len die Sog­wir­kung ge­fähr­lich.

Häu­fig wird zu eng über­holt

Zwi­schen Au­gust 2023 und März 2024 wur­den vie­le Über­hol­vor­gän­ge ge­mes­sen und ge­spei­chert. Die re­la­ti­ve Häu­fig­keit der Über­hol­vor­gän­ge mit Ab­stän­den klei­ner als 1,5 m be­trägt 54,2%. Das sind ab­so­lut 1385 von 2555 ge­mes­se­nen Über­hol­vor­gän­gen.

Blau: Min­dest­ab­stand / Gelb: Me­di­an / Rot: kleins­ter ge­mes­se­ner Ab­stand

Ge­mes­sen wur­den auch Über­hol­vor­gän­ge bei de­nen we­ni­ger als 50 cm Ab­stand ge­hal­ten wur­de. Un­se­re Mess­fahr­ten be­le­gen, was fast alle Rad­fah­ren­den täg­lich haut­nah spü­ren: Bei mehr als der Hälf­te der Über­hol­vor­gän­ge in Ib­ben­bü­ren wird der Min­dest­ab­stand zu Rad­fah­ren­den nicht ein­ge­hal­ten. Das gilt be­son­ders auf Stra­ßen, die schmal und stark be­fah­ren sind, z. B. Gra­ven­hors­ter Stra­ße und Led­der­stra­ße. Die Kar­te mit den do­ku­men­tier­ten Über­hol­vor­gän­gen zeigt die farb­lich mar­kier­ten Stra­ßen.

War­um wer­den Min­dest­ab­stän­de so oft nicht ein­ge­hal­ten?

Es gibt un­ter­schied­li­che Grün­de da­für, dass der Min­dest­ab­stand beim Über­ho­len nicht ein­ge­hal­ten wird. Ei­ner ist si­cher­lich, dass vie­le Men­schen hin­ter dem Steu­er gar nicht wis­sen, wie viel Si­cher­heits­ab­stand sie von Rad­fah­ren­den hal­ten müs­sen. Vie­le sind nur un­zu­rei­chend über Neue­run­gen in der StVO in­for­miert. Au­ßer­dem wird un­ter­schätzt, wie viel 1,5 Me­ter – ge­mes­sen wird vom rech­ten Au­ßen­spie­gel des Kfz bis zum lin­ken Len­ker­en­de des Fahr­rads – sind. Oft muss der Kfz-Ver­kehr beim Über­hol­vor­gang kom­plett auf die an­de­re Fahr­bahn­sei­te wech­seln. Ist das Ein­hal­ten des Min­dest­ab­stands nicht mög­lich, ist das Über­ho­len ver­bo­ten.

Zeit­druck und vol­le Stra­ßen ver­lei­ten dazu, Rad­fah­ren­de zu eng zu über­ho­len. Men­schen hin­term Steu­er schei­nen Rad­fah­ren­de als „Ver­kehrs­hin­der­nis“ zu emp­fin­den, ob­wohl Rad­fah­ren­de ge­nau wie Au­to­fah­ren­de nur ihr Ziel er­rei­chen wol­len. Si­cher­lich über­ho­len nur we­ni­ge Men­schen am Steu­er Rad­fah­ren­de zu eng, weil sie wirk­lich rück­sichts­los sind – was na­tür­lich von Rad­fah­ren­den an­ders emp­fun­den wird.

Die Sicht des Men­schen auf dem Rad

Für Rad­fah­ren­de, die mit we­nig Ab­stand über­holt wer­den, ist das nicht nur un­an­ge­nehm, son­dern auch ge­fähr­lich. Men­schen auf dem Rad ha­ben kei­ne Knautsch­zo­ne, wes­halb sie es na­tür­lich als be­son­ders be­droh­lich emp­fin­den, wenn sie eng über­holt wer­den. Je hö­her die Ge­schwin­dig­keit des über­ho­len­den Fahr­zeugs, des­to un­an­ge­neh­mer und angst­ein­flö­ßen­der ist die Si­tua­ti­on.

Ge­fähr­li­che und be­droh­li­che Si­tua­tio­nen füh­ren dazu, dass Rad­fah­ren­de sich nicht si­cher füh­len. Vie­le Men­schen trau­en sich des­halb auch nicht, mit dem Rad im Misch­ver­kehr auf der Fahr­bahn zu fah­ren.

Vor ei­ni­gen Jah­ren ha­ben die Un­fall­for­scher der Ver­si­che­rer, kurz UDV, die Si­cher­heit von Rad­fah­ren­den un­ter­sucht. Seit­dem ist be­kannt, dass Rad­fah­ren­de sich … nicht si­cher füh­len und häu­fig auf Geh­we­ge aus­wei­chen.

Un­fall­for­schung der Ver­si­che­rer

Dort lau­ert an je­der Ein- und Aus­fahrt die Ge­fahr, über­se­hen zu wer­den, und auf frei­ge­ge­be­nen Geh­we­gen ist ma­xi­mal Schritt­ge­schwin­dig­keit er­laubt.

Eine Fol­ge: Die Men­schen stei­gen erst gar nicht auf das Fahr­rad; El­tern las­sen ihre Kin­der nicht mit dem Rad fah­ren, son­dern ent­schei­den sich fürs El­tern­ta­xi.

der An­teil des Um­welt­ver­bunds soll stei­gen

Fa­zit: Wir ma­chen un­se­re Er­geb­nis­se der OBS-Mes­sun­gen öf­fent­lich und be­rich­ten über un­ser Pro­jekt, weil wir „Auf­klä­rungs­ar­beit“ leis­ten und den Men­schen hin­term Steu­er be­wusst ma­chen wol­len, wie ex­trem un­an­ge­nehm es ist, zu eng über­holt zu wer­den. Wir wer­den un­se­re Da­ten und Er­geb­nis­se auch den Ver­ant­wort­li­chen der Stadt zur Ver­fü­gung stel­len, die dar­aus Schlüs­se zie­hen kön­nen, wo zum Bei­spiel Än­de­run­gen der In­fra­struk­tur oder das Sen­ken der Höchst­ge­schwin­dig­keit für mehr Si­cher­heit sor­gen kön­nen.

Be­son­ders kri­ti­sche Stel­len in Ib­ben­bü­renAn der Reichs­bahn zum Bei­spiel ist die Si­tua­ti­on we­gen der di­rekt am Fahr­bahn­rand par­ken­den Fahr­zeu­ge oft be­son­ders kri­tisch. Den schma­len Schutz­strei­fen kön­nen Rad­fah­ren­de oft gar nicht nut­zen, weil sie dann den Si­cher­heits­ab­stand zu den par­ken­den Fahr­zeu­gen nicht ein­hal­ten kön­nen, Stich­wort: Doo­ring­un­fäl­le.

An der Müns­ter­stra­ße (stadt­aus­wärts zwi­schen den Kreu­zun­gen Münsterstraße/Weberstraße/Ledder Stra­ße und Münsterstraße/Werthmühlenstraße/Tecklenburger Damm) ist vie­len Au­to­fah­ren­den gar nicht be­wusst, dass Fahr­rä­der hier auf der Fahr­bahn fah­ren müs­sen. Vie­le den­ken, dass der rote Strei­fen im­mer noch ein Rad­weg ist. Al­ler­dings wur­de die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht schon vor lan­ger Zeit auf­ge­ho­ben, weil der Strei­fen für ei­nen ge­mein­sa­men Rad- und Fuß­weg zu schmal ist. Das­sel­be Pro­blem be­steht zum Bei­spiel am Püs­sel­bü­re­ner Damm, an der Wil­helm­stra­ße und an der Schli­ckel­der Stra­ße.

„Sind Au­to­fah­ren­de der Mei­nung, Rad­fah­ren­de dürf­ten nicht ge­mein­sam mit dem Kfz-Ver­kehr auf der Fahr­bahn fah­ren, las­sen sie ei­nen das oft spü­ren, zum Bei­spiel durch schnel­les und knap­pes Über­ho­len, durch Rufe auf dem ge­öff­ne­ten Fens­ter oder durch Hu­pen.“

Eine Teil­neh­me­rin der Cri­ti­cal Mass-Demo

Wenn der „Si­cher­heits­ab­stand“ nicht ein­ge­hal­ten wer­den kann oder der Ge­gen­ver­kehr ein Über­ho­len nicht zu­lässt, darf nicht über­holt wer­den, es be­steht ein Über­hol­ver­bot, kann man nach­le­sen — §5 (4) StVO. Die­ses Über­hol­ver­bot könn­te man aus­schil­dern — will die Ver­wal­tung aber nicht.

Letzt­end­lich wird ein wei­te­res Mal ge­zeigt, dass Rad­we­ge in Ib­ben­bü­ren nicht ein­fach und si­cher sind. Das kann der Kom­mu­ne nicht egal sein — die Mess­ergeb­nis­se sind kein Zei­chen für eine fahr­rad­freund­li­che Stadt.

Des­halb or­ga­ni­sie­ren wir je­den letz­ten Frei­tag im Mo­nat eine Cri­ti­cal Mass Fahr­rad-Demo. Wir möch­ten den Ver­kehr nicht blo­ckie­ren, son­dern zei­gen, dass wir auch Ver­kehrs­teil­neh­mer sind. Mehr Rück­sicht auf schwä­che­re Ver­kehrs­teil­neh­mer und bes­se­re Rad­we­ge wä­ren da schon ein Fort­schritt!

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