Von Olaf
Nun ist es wieder soweit! Die Schule beginnt und viele neue Schüler:innen gehen das erste Mal zum Unterricht. Traditionell werden gelbe Westen verteilt, Banner aufgehängt mit dem Appell „Schule beginnt, runter vom Gas!“ und Eltern motiviert, mit Ihren Kindern den Schulweg zu üben. Bei uns sieht man inzwischen nur noch Gelb!
Alles richtig und wichtig. Aber sollten nicht auch Autofahrer motiviert werden Rücksicht zu nehmen auf schwächere Verkehrsteilnehmer? Die Kinder müssen sich dem Verkehr anpassen, die Autofahrenden werden weiter ungebremst durch die Stadt gelassen!
Nun ja, der Appell ist sicher auch an die Motorisierten gerichtet, was ja auch die Plakate beweisen. Wieder einmal wird an das Verhalten jedes Einzelnen appelliert, und dennoch sind die Regeln und Verkehrswege so gestaltet, dass ungebremstes Autofahren möglich ist.
Die sogenannte Schulwegsicherheit ist da ein gutes Stichwort: Kommunale Entscheidungsträger, meist die Verkehrsplaner im Rathaus und in der Kreisverwaltung, könnten die vorrangigen Wege zu den Schulen so gestalten, dass sie auch sicher für junge Menschen sind.
Dazu zählen breite Fuß- und Radwege, möglichst baulich getrennt von der Fahrbahn. Dazu zählt der ausreichend großzügige Platz an den Bushaltestellen. Dazu zählen Querungshilfen, die auch vom MIV wahrgenommen werden, also Zebrastreifen und Ampelanlagen.
Die meisten Unfälle im Kreis Steinfurt passieren an Kreuzungen. Es werden zwei Drittel aller Unfälle mit Rad-Beteiligung an Knotenpunkten verzeichnet, wozu auch Grundstückseinfahrten gehören! Und eben auch zwei Drittel der Unfälle passieren zwischen den Unfallgegnern Auto und Fahrrad!
Radverkehrskonzept Kreis Steinfurt, S.40, 2020
Was also kann man konkret tun, um die Situation zu entschärfen und sicherer für schwächere Verkehrsteilnehmer zu machen? Dazu gibt es bereits sehr viele Untersuchungen, aber fangen wir mal an mit der Forderung nach einfachen und sicheren Radwegen, die konsequent durch die Stadt geführt werden.
Mehr Sicherheit kann man erzeugen durch eine räumliche Trennung vom MIV und konfliktfreies Überqueren von Kreuzungen. Entlang der Straßen können breite Radfahrstreifen, Radwege und Protected Bike Lanes für Sicherheit sorgen.
Ampelschaltungen können zeitlich gestaffelt werden für motorisierte und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer. Wenn Autos nicht in die Nähe oder in die Quere kommen, kann auch weniger passieren!
Ein Thema sorgt dabei stets für Aufschrei, das Thema der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit! Ganz einfach! Im Bereich 50 bis 70 km/h sind fast 75% aller Unfälle tödlich oder enden mit schweren Verletzungen. Senkt man die Geschwindigkeit auf 30 km/h, sind 70% der Unfallopfer leicht verletzt, aber sie überleben. (Quelle: DVR, Dietmar Otte, Geschwindigkeit und Verletzungsrisiko, 2018)
Als positives Beispiel aus der Praxis dient Helsinki. Seitdem in 2017 die Höchstgeschwindigkeit in der Stadt auf 30 km/h abgesenkt wurde, gab es keinen Unfall mehr mit tödlichem Ausgang! Das ist mal ein guter Schritt in Richtung Vision Zero! (siehe auch: https://www.ndr.de/nachrichten/info/
Keine-Verkehrstoten-Was-Helsinki-richtig-macht,visionzero110.html)
Bei der Verkehrsplanung und beim Straßenbau sollte daher auf geringe Geschwindigkeiten und hohe Fehler-Toleranzen geachtet werden. Autofahrende sind eher schnell unterwegs und Kinder bewegen sich oft unvorhersehbar!
Zudem ist ihre Aufmerksamkeit oft eingeschränkt durch mangelnde Sichtachsen, winkende Freunde oder schlichtweg Ungeduld. In jungen Jahren kann man auch Geschwindigkeiten und Entfernungen noch nicht gut einschätzen. Vielleicht sollte man das bei der Wege-Planung berücksichtigen!
Der ewige Konflikt zwischen den Verkehrsteilnehmern muss beendet werden. Er kann beendet werden durch menschengerechte Verkehrsplanung, die Fehler zulässt und jedem ein sicheres Gefühl gibt!