Man ist es schon fast gewohnt und erwartet es gar nicht anders: Mehrspurig führen die Asphaltschneisen in die Städte, Radfahrende haben eventuell einen Radstreifen am Rand, Zufußgehende müssen sich mit dem begnügen, was daneben noch an Platz übrig bleibt. Oft ist dies nur ein schulterbreiter Weg.
Viele Mitmenschen sind darüber gar nicht mehr verwundert (!), es ist halt so. Aber warum ist das so? Und sollte es tatsächlich so sein, wenn man in einer attraktiven Stadt leben möchte, die auf Straßen und Plätzen viel Aufenthaltsqualität anbietet?
Das Bundesumweltamt schrieb dazu bereits 2017 folgende bemerkenswerte Antwort:
„Auf Straßen und Plätzen findet das öffentliche Leben statt. Ihre Gestaltung bestimmt, wie intensiv wir diese Räume dafür nutzen. Ist eine Straße als eine Einladung an Kraftfahrzeuge konzipiert, dominiert hier bald der Autoverkehr mit Lärm, Abgasen und Flächenanspruch. Kaum jemand möchte sich in solchen Straßen aufhalten – die Aufenthaltsqualität ist in der Regel gering, Begegnungen, Gespräche oder Kinderspiel finden nicht statt.“
(https://www.umweltbundesamt.de/publikationen)
Die Frage lautet also: Wie wollen wir leben? — Ja genau, auch der Zukunftsforscher Horst Opaschowski hat sich bereits vor Jahren Gedanken dazu gemacht und 2014 das Buch So wollen wir leben! veröffentlicht.
Mal ganz ehrlich, ist es nicht an der Zeit, dass Ibbenbüren aus dem Dornröschenschlaf erwacht und sich den aktuellen Entwicklungen stellt?
Aber sicher doch, sagen Einige! Ein glorreicher Versuch der „Aufhübschung“ des Neumarkts fand doch vor vier Jahren statt! Die Aufenthaltsqualität sollte verbessert, das Parken eingeschränkt und der Wochenmarkt gemütlicher werden! Im Frühjahr 2018 war dann allerdings auch die konservative Fraktion im Rat enttäuscht über das Ergebnis: Im Grunde hatte sich nichts geändert, lediglich ein paar Holzmöbel und ein kleines Klettergerüst wurden aufgebaut. Parkplätze und Poller gibt es immer noch, trotz Tiefgarage, der Wochenmarkt ist nicht gemütlicher geworden und inzwischen gibt es mehr Leerstände zu verzeichnen.
Immerhin, es gibt inzwischen ein Mobilitätskonzept für die Jahre ab 2035. Ibbenbüren bereitet sich vor, doch dann kam Corona und das Parken in der Innenstadt wurde kostenfrei bereit gestellt. Die Kunden sollten in die Innenstadt gezogen werden mit der Aussicht auf günstiges Parken. Dass inzwischen die Innenstadt am Autoblech und Lieferverkehr erstickt wird leider nicht wahrgenommen.
Wie sollte man auch sonst in die Stadt kommen, wenn nicht mit dem Auto? Einen gewissen PR-Gag konnte man durch das Ein-Euro-Ticket für Busse landen. Allerdings müsste man dann für 360 Euro ein Jahresticket kaufen. Nun ja, und mit der Bahn nach Ibbenbüren fahren, mmh, eher teuer und der Bahnhof wirkt ja doch sehr abschreckend. Immerhin, der Bahnhof soll jetzt durch die Stadt übernommen und in Eigenregie in eine Mobilitäts-Station verwandelt werden. Die Ausschreibung läuft, wird hier begleitet und zu gegebener Zeit auch kommentiert!
Derweil fragt sich der einfache Mitbürger, was er denn dazu beitragen könnte, den motorisierten Verkehrsfluss in der Stadt zu verringern, sich umweltfreundlicher zu bewegen und nerven-schonend von A nach B zu kommen! Mit dem Fahrrad oder zu Fuß könnte man einige Arbeitsplätze (von Pendlern mal abgesehen) und die Innenstadt leicht erreichen, denn es sind von den meisten stadtnahen Wohnquartieren nur wenige Kilometer. Mit dem Rad schaffen das täglich bereits sehr viele Mitmenschen, der Anteil am Verkehrsaufkommen beträgt ca. 18% Radfahrende (2019)! Das Mobilitätskonzept möchte diesen Anteil auf 30% steigern (2035+)!
Kopenhagens Bürgermeister meint:
„50% Radverkehrsanteil sind überall möglich!“
Dazu wäre es allerdings sehr wichtig auch in die Sicherheit für Radfahrende und Zufußgehende zu investieren. Erstaunlich ist, dass weit mehr als die Hälfte aller motorisiert zurück gelegten Wege in Ibbenbüren weniger als fünf Kilometer lang sind. Kürzer als 2 km sind immer noch ein Drittel aller motorisierten Fahrten!
Eigentlich doch leichte Distanzen für Radler, oder!?
Jedoch, bevor das Mobilitätskonzept zur Abstimmung in den Rat kam, wurde mit dem Neubau der Kreuzung an der Werthmühle Ibbenbürens Weg in die mobile Zukunft bereits aufgezeigt: Der motorisierte Verkehrsfluss bleibt bevorzugt und wird weiter optimiert. Täglich befahren ca. 15000 Fahrzeuge die Münsterstraße und nutzen die Nord-Süd-Achse mitten durch die Stadt. Die Straßen um das Tangentenviertel werden jeden Tag von 10000 bis 15000 Autos befahren, d.h. das Tangentenviertel ist sehr gut mit dem Auto zu erreichen. Zufahrten werden so gestaltet, dass PKWs fast ohne Abbremsen bis vors Geschäft fahren können.
Was sagte noch das Bundesamt für Umwelt bereits vor fünf Jahren dazu:
„Wirkt eine Straße … einladend auf zu Fuß gehende und Rad fahrende Menschen, existieren Gelegenheiten zum Aufenthalt, so entstehen Kommunikation und Interaktion. Der öffentliche Straßenraum füllt sich mit Leben.“
(https://www.umweltbundesamt.de/publikationen)
Schön wäre es, aber nein, die Verkehrspolitik beschränkt sich in Ibbenbüren auf Velowashing! Leben findet in Ibbenbüren nicht auf Straßen oder Plätzen statt.